Auf ein Wort - zum 6. Sonntag in der Osterzeit

Auf ein Wort – zum 6. Sonntag in der Osterzeit  (zur ersten Lesung: Apg 10, 25-48)

„Die Heilige Schrift ist ein Kräutlein: Je mehr du es reibst, umso stärker duftet es.“
                       
Diesem Satz Martin Luthers stimme ich zu. In Jahrzehnten mit der Bibel ist sie mir nie langweilig geworden. Ich reibe mich an ihr, und sie entlässt Geschmack und schmeckt nach mehr. Ob und wie eine der Lesungen von diesem Sonntag (Apg 10, 25-48) „geschmackvoll“ für uns heute werden kann?

  • Eine Episode in der Apostelgeschichte ist es – sie klingt nicht besonders aufregend.

Versuchen wir’s: sie „zu reiben“, also sie zur Hand zu nehmen und uns mit ihr zu beschäftigen… Ich meine geradezu sensationell erscheint sie plötzlich – selbst für uns:

die Begegnungsgeschichte zwischen Petrus und dem römischen Hauptmann Kornelius.

Und darin, wie der „Felsenmann“ Petrus wieder neu Glauben buchstabieren lernt.

  • In Anlehnung an Leonardo Boff: „Gott ist schon längst dort, wohin wir auch gehen“.

Hier in der Geschichte: Wir hören darin einen Gott, der schon lange vor Petrus bei diesem „heidnischen“, römischen Kornelius angekommen ist, längst bevor Petrus ihm begegnet; der diesem römischen Soldaten eine Sehnsucht und einen Hunger, ein Hoffnung und ein Vertrauen ins Herz gegeben hat – schon längst bevor Petrus ihn besucht.

  • Ich versuchs zu übersetzen: Was für eine Entlastung. Besonders dann, wenn

Menschen heutzutage von „Evangelisieren“ sprechen. Diese Geschichte erzählt dann nicht: andere zutexten oder gar belehren. Sondern umgekehrt: zuerst dankbar lauschen und staunen lernen, wo Gott schon längst am Werk ist. Für Kirche und alle selbstberufenen Missionare im Glauben könnte es bedeuten - buchstäblich: „Kehrt um!“ und lasst euch auf ein echtes Miteinander ein; begebt euch auf Entdeckungsreise; brecht auf um zu erspüren, wo Menschen bereits im Geist der Guten Botschaft und im Sinne Jesu unterwegs sind.

  • „Gott sei Dank“, sag ich immer wieder, sind nicht wir die Macher des Glaubens. Unsere

Rolle als Kirche scheint eher die einer immer neu „staunenden, selbst schwangeren Hebamme“ zu sein. So höre ich auch den Ausruf des Petrus (Apg 10,34) - und man stelle sich vor, wie er sich dabei an den Kopf fasst: „Wahrhaftig jetzt begreife ich (es erst)…!“

  • Und ich höre in dieser Geschichte, wie ein Gottesbild entsteht von einem

„Gott, der pfiffiger ist als viele seines Bodenpersonals“. Petrus und die mit ihm Verbundenen stehen fassungslos vor dem Phänomen, dass der Geist Gottes alle ergreifen kann. Wichtig dabei: Petrus kann sich auf diese neue Erkenntnis einlassen - ein pfiffiger Gott ist es für ihn.

  • Was für eine Weite, die auferstehen könnte – in einer Kirche und für jeden Einzelnen.

Geist Gottes, die auch in Vielen wirkt: die keine Katechismussätze aufsagen können; die nicht regelmäßig in die Kirche gehen; die noch auf der Suche sind; die scheinbar „am Rand stehen“ (übrigens  – was für eine Hybris, denn wer bestimmt denn, wer „am Rand“ steht?)

Ein Gottesbild, von einem pfiffigen Gott, der Wege findet, um Menschen für Glauben an Ihn zu interessieren – Wege, die außerhalb unseres oft so engen Horizonts liegen.

  • Manche mögen es ja gerne konkret. Darum hier ein Beispiel. Pater Anselm Grün scheint

Manchem noch bekannt zu sein. Er erzählt einmal von seiner Schwester, die ihm eines Tages sagt: „Ich weiß nicht, meine Kinder sind so anders als ich mir das vorgestellt habe. Was hab‘ ich denn nur falsch gemacht?“ Pater Grün überlegt kurz und antwortet dann mit einem Lächeln: „Weißt du, deine Kinder sind alle in Ordnung, - trotz deiner Erziehung.“

Wer Ohren zum Lauschen geschenkt bekam, der lausche.

E. Nentwich, Pfarrer (so gut es eben geht)