Auf ein Wort - zum 5. Sonntag in der Osterzeit

„DRANBLEIBEN“. (Apg 9,26-30; 11,19-22.25-26 und Joh 15,1-5)

Der ehemalige Christenverfolger Paulus wird eingebunden.
Die Apostel, zunächst misstrauisch gewesen, haben die Ehrlichkeit seiner Bekehrung erkannt.
Sie haben Paulus zunächst in seine Heimat Tarsus evakuiert,
als seine bisherigen Freunde ihn wegen seines Stellungswechsels umzubringen drohten.
Und Barnabas holte ihn, als man es riskieren konnte, nach Antiochia.
Paulus mit seinen großen Fähigkeiten würde der jungen Kirche nützlich sein.

Vorbei die Zeiten, in denen Paulus gegen Christus gewütet hatte.
Vor den Toren von Damaskus hatte Paulus sich plötzlich von Christus gestellt und überwältigt gefühlt,
und war nicht mehr der alte.
Er hatte sich eingliedern lassen in Christus wie wir mit der Taufe.
Er wird sein Leben lang dranbleiben an Christus und von Ihm durchdrungen sein.

Bemerkenswert: Das häufigste Wort im sogenannten Weinstock-Evangelium ist das Wort „bleiben“.
Die Lebenseinheit der Rebzweige mit dem Weinstock  ist die Voraussetzung für das „Fruchtbringen“.¹
„Fruchtbringen“
ist das zweithäufigste Wort im Weinstock-Gleichnis.

Christus ist der Weinstock, wir sind die Reben – ein großartiger Vergleich!
Es heißt nicht:  Christus die Kartei, wir die Karteiblätter.
Es heißt nicht:  Christus die Firma, wir die Ware.

Die Kartei sammelt nur,  die Firma vermarktet nur.
Der Weinstock aber ist die Existenz-Grundlage der Reben:
- Sie leben von ihm.
- Sie verdorren, wenn sie die Verbindung mit ihm kappen.
Aber auch: Weinstock und Reben sind aufeinander angewiesen:
Die Gleichnisrede vom Weinstock könnte auch umgekehrt gelesen werden:
So wie die Reben den Weinstock brauchen, um zu wachsen und Trauben tragen zu können,
braucht auch der Weinstock die Zweige, an denen die Trauben hängen.
Ohne die fruchttragenden Reben wäre auch der Weinstock unfruchtbar.

Die Beziehung zwischen Gott, Jesus und den Menschen ist zuerst von Gott her geprägt – Ja.
Das vorangestellte „Ich bin…“ könnte ein Fingerzeig dazu sein.
Zugleich: damit der Weinstock Frucht tragen kann, braucht es viele und vielfältige starke, vitale Reben.
Darum - auf das Weinstock-Gleichnis folgt prompt die Mahnung zur Liebe: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12).
Worin besteht sie, diese Liebe? Brauchen wir Beispiele?  Ich glaube, wir wissen es längst:  Verzicht und Verzeihen, Trösten und Teilen….

Und wer’s noch deutlicher haben will und noch viel schöner, der erinnere sich des Hohen Liedes der Liebe (1Kor 13), das Paulus wie ein Echo auf Jesu Weinstock-Gleichnis den Korinthern als seine Aus-Legung zur Liebe geschrieben hat: von ihrer Langmut und Güte, dass sie nicht angibt, und nicht aufgibt…
Solche Zeilen des Paulus gehören wahrlich nicht nur auf ein Schmuckblatt für Hochzeiten geschrieben, und sind nicht nur ein schöner Text für den Muttertag! Die Über-Setzung mög‘ uns allen gelingen.

E. Nentwich, Pfarrer